Acht Fragen an eine ehemalige Bewohnerin, Juli 2022

Die Schwalbe 13


Wer bist du und wie lange hast du in der Schwalbe gewohnt?
Ich bin 48, und habe 2017 für 5 Monate in der Schwalbe gewohnt.

Wie wohnst du, seitdem du aus der Schwalbe ausgezogen bist und was machst du?
Nachdem ich aus der Schwalbe ausgezogen bin, habe ich den Traum / Plan verwirklicht, den ich schon vor dem „Intermezzo“ in der Psychiatrie hatte: ich bin ich auf eine winzige indonesische Insel in der Nähe von Bali gezogen, habe dort die Tauchlehrer-Ausbildung gemacht und in dem neuen Beruf dort bis zum Beginn der Pandemie gelebt und gearbeitet. Inzwischen bin ich wieder in die Steiermark zurückgekehrt, habe meine eigene kleine Wohnung und helfe bei Familie und Bekannten mit Betreuung aus.

Willst du uns erzählen, was dazu führte, dass es zu deinem Aufenthalt in der Psychiatrie kam, bevor du in die Schwalbe gezogen bist?
Ich war immer ein sehr leistungsorientierter Mensch und hatte knapp 20 Jahre in sehr verantwortungsvollen und herausfordernden Management-Positionen in der Industrie gearbeitet, bis dann 2015 „die Luft draussen war“ – Diagnose: „Anpassungsstörung“ bzw „Burnout“.

Schon in den Jahren davor gab es etliche depressive Phasen, ich hatte mir selber immer viel zu viel Druck auferlegt, hatte Selbstzweifel und ständig das Gefühl, mir und meinem Umfeld etwas beweisen zu müssen, weil ich selbst so wie ich war/bin nicht gut genug war. Neben dem schon anspruchsvollen Job absolvierte ich noch ein Postgraduate-Studium, betrieb Berg- und Radsport auf Hobby-Wettkampfniveau, dazu kam die seelische Belastung während des jahrelangen Kampfs meines Vaters mit dem Krebs und sein qualvolles Sterben, die belastende Situation für meine Mutter – die dann auch Ende 2015 völlig unerwartet verstorben ist, etc. etc.

Nach der Burnout-Diagnose habe ich den Job gekündigt und bin 2016 dann für ein halbes Jahr am Landweg nach und durch Asien gereist, was meine Perspektiven völlig verändert bzw erweitert hat und ich entschloss mich mit tiefster Überzeugung, dass ich nicht mehr in meine „alte Welt“ zurückkehren wollte, weil das Leben so viel mehr als Arbeit und Prestige-Denken bietet, man es aber nutzen sollte.

Der Plan war, meine Wohnung, Auto, etc. zu verkaufen und nach Indonesien zu ziehen, um dort als Tauchlehrerin zu arbeiten. Leider gestaltete sich das Verkaufen, Verscherbeln, Verschenken meines ganzen materiellen Besitzes als schwieriger bzw langwieriger als erwartet, es hat mich auch emotional sehr mitgenommen – einerseits „das Alte“ hinter mir zu lassen (in dem es ja auch schöne Seiten gegeben hatte) und andererseits das Neue schon gar nicht mehr erwarten zu können. Es war eine Zeit großen Umbruchs für mich. Während der Abwicklung des Verkaufs meiner Wohnung wohnte ich für 2 Wochen bei meiner Schwester und ihrer Familie, wo es zu dem Zeitpunkt auch einige Problemchen gab und räumlich eng war, und so kam es dort zu meinem seelischen Zusammenbruch und der Einweisung in die Psychiatrie.

Wenn du deine Gefühle in der Zeit deiner Krise in einem Satz zusammenfassen müsstest, wie würde er lauten?
Am ersten Abend in der Psychiatrie war ich völlig fertig mit der Welt – dieses Stigma, das Nicht-Wahrhaben-Wollen, dass es jetzt wirklich SO schlimm um mich steht, aber zugleich auch eine unglaubliche Erleichterung, mich endlich fallen lassen zu dürfen, nicht mehr die starke Fassade vorspielen zu müssen und mich in die Geborgenheit von Profis ergeben zu dürfen, die mir sanft und verständnisvoll zur Seite standen – sowohl in der Psychiatrie des LKH Graz als auch danach in der Schwalbe und bei meiner Psychiaterin.

Wie hast du von der Schwalbe erfahren und warum hast du dich für diese Wohngemeinschaft beworben?
Mein behandelnder Arzt und der Sozialberater in der Psychiatrie des LKH Graz haben mir beide unabhängig voneinander die Schwalbe empfohlen. Für mich war es die ideale Lösung, weil ich ja zu dem Zeitpunkt keine Wohnung mehr hatte und nach wie vor nach Indonesien ziehen wollte sobald mein psychischer Zustand sich ausreichend stabilisiert hat. Abgesehen davon war es für mich sehr reizvoll, im Garten arbeiten zu dürfen, eine Tagesstruktur zu haben und vor allem in dieser Phase nicht alleine mit mir, sondern unter Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen zu sein.

Gibt es etwas, bei dem dir die Schwalbe besonders weitergeholfen hat, etwas das du für dein Leben heute mitnehmen konntest?
Ich hatte damals– trotz den vielen Monaten auf der Asienreise und Einblicken in die Entschleunigung– nach wie vor die Tendenz, immer wieder in mein altes Effizienz- und Tempo-Denken zurückzufallen. In der Schwalbe habe ich gelernt und im täglichen Leben praktiziert, mir Zeit zu lassen und den Dingen die Zeit zu geben, die sie brauchen und achtsamer zu werden.
Und: dass Tätigkeiten wie Unkraut jäten, putzen, nähen, basteln, kochen, backen etc. die allerbesten Antidepressiva sind! 😉

Wenn du an die Wohngemeinschaft denkst, an was erinnerst du dich besonders gern?
Vor allem der Garten hat es mir angetan und ich habe da viel gelernt. Dann natürlich die immer ruhige, respektvolle und dennoch bestimmte Art von Frau Vanek, mit der sie mit oftmals nicht ganz einfachen zwischenmenschlichen Situationen umgeht. Ihre menschliche Größe beindruckt mich sehr. Und die guten Gespräche mit Frau Vanek und den anderen Betreuerinnen, das war in meiner damaligen seelischen Verfassung wirklich Balsam. Ich habe mich in der Schwalbe immer sehr geborgen und geschützt gefühlt.

Gibt es etwas, dass du der Schwalbe ausrichten willst, oder den Menschen über die Schwalbe sagen magst?
Ich wünsche der Schwalbe noch sehr viele erfolgreiche Jahre, denn sie ist wirklich eine sehr notwendige und hilfreiche Institution für Frauen, die in eine Notlage gekommen sind, und sie wird von Profis auf ihrem Gebiet mit viel Herz geführt und betrieben. Ich zögere keine Sekunde, die Schwalbe vollumfänglich zu empfehlen – sowohl für Frauen, die sich als Bewohnerinnen bewerben als auch – soweit ich das beurteilen kann – für potentielle Spender und Unterstützer, Kunden ihrer Produkte / Catering, Praktikumskandidatinnen, Kooperationsprojekt, etc., weil meiner Meinung nach alles sehr professionell abgewickelt wird.